Nano klingt futuristisch – und ist längst Realität. Nicht nur in der Medizin, der Elektronik oder der Kosmetikindustrie, sondern auch auf unserem Teller. Nanomaterialien finden zunehmend Anwendung in der Lebensmittelproduktion – als Zusatzstoffe, Verpackungsbestandteile oder technische Hilfsstoffe. Doch was bedeutet das für Verbraucher:innen? Wie sicher sind diese winzigen Teilchen wirklich?
In diesem Beitrag werfen wir einen genauen Blick auf Nanomaterialien in Lebensmitteln – und erklären, warum sie so umstritten sind.
Was sind Nanomaterialien?
Der Begriff „Nano“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zwerg“. In der Wissenschaft beschreibt er Strukturen mit einer Größe von 1 bis 100 Nanometern (nm) – das entspricht einem Millionstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist rund 80.000 bis 100.000 Nanometer dick – Nanopartikel sind also tausendmal kleiner.
In dieser winzigen Größenordnung verhalten sich Materialien oft völlig anders als im „normalen“ Maßstab. Viele Stoffe bekommen neue optische, chemische, physikalische oder biologische Eigenschaften, die sie für bestimmte Anwendungen besonders interessant machen – auch in der Lebensmitteltechnologie.
Beispiele für Besonderheiten von Nanomaterialien:
- Erhöhte Reaktivität: Durch ihre enorme Oberflächenvergrößerung sind Nanopartikel chemisch oft viel aktiver als größere Partikel desselben Materials.
- Durchdringung biologischer Barrieren: Aufgrund ihrer geringen Größe können sie unter Umständen Zellmembranen überwinden oder in Körpergewebe eindringen – was Fluch und Segen zugleich sein kann.
- Gezielte Freisetzung: In funktionellen Lebensmitteln können Nanosysteme dazu dienen, Inhaltsstoffe wie Vitamine oder Antioxidantien präzise und kontrolliert freizusetzen – zum Beispiel erst im Dünndarm.
- Verändertes Verhalten in Flüssigkeiten: Viele Nanomaterialien lösen sich besser, emulgieren stabiler oder beeinflussen die Textur und Farbe von Lebensmitteln.
Diese Eigenschaften machen Nanomaterialien zu einem spannenden Werkzeug für die Lebensmittelindustrie – aber eben auch zu einem Forschungsfeld mit vielen offenen Fragen.
Wo werden Nanomaterialien in Lebensmitteln eingesetzt?
Nanomaterialien werden in der Lebensmittelindustrie auf unterschiedliche Weise verwendet – teils direkt im Produkt, teils indirekt über Verpackung oder Verarbeitung:
1. Als Zusatzstoffe
Einige Zusatzstoffe liegen in nanoskaliger Form vor, um bestimmte Eigenschaften zu verbessern:
- Siliciumdioxid (E551): Als Rieselhilfe in Salz oder Instantprodukten.
- Titandioxid (E171): Früher als Weißpigment, z. B. in Kaugummi oder Süßwaren (in der EU seit 2022 in Lebensmitteln verboten).
- Nano-Emulgatoren: Zur Stabilisierung von Fetten in Getränken oder Dressings.

2. In funktionellen Lebensmitteln
Nanomaterialien kommen auch in sogenannten funktionellen Lebensmitteln zum Einsatz – also Produkten, die über ihren Nährwert hinaus einen gesundheitlichen Zusatznutzen bieten sollen. Dabei werden Nanokapseln oder Nanoträgersysteme verwendet, um empfindliche Inhaltsstoffe wie Vitamine, Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien oder Probiotika zu stabilisieren.
Diese Stoffe sind oft licht- oder hitzeempfindlich und können im Magen bereits abgebaut werden, bevor sie ihre Wirkung entfalten. Die nanoskalige Verkapselung schützt sie und ermöglicht eine gezielte Freisetzung erst im Dünndarm, wo sie besser aufgenommen werden können. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Smart Delivery“ – einer Art intelligenter Nährstofftransport.
Zudem können Nanopartikel die Bioverfügbarkeit bestimmter Nährstoffe erhöhen – das heißt: der Körper kann sie effizienter aufnehmen und verwerten. So sollen kleinere Mengen eine größere Wirkung entfalten – ein Ansatz, der vor allem in der Nahrungsergänzung und Sporternährung zunehmend relevant wird.

3. In Verpackungsmaterialien
Nanomaterialien werden in Kunststoffen eingesetzt, um Verpackungen:
- luft- und lichtdichter zu machen,
- antibakterielle Oberflächen zu erzeugen (z. B. durch Nano-Silber),
- oder frischehaltende Eigenschaften zu verbessern.
Warum sind Nanomaterialien so umstritten?
So viel Potenzial Nanotechnologie auch bietet – in Lebensmitteln ist ihr Einsatz mit einer Vielzahl offener Fragen verbunden. Denn je kleiner ein Partikel ist, desto tiefer kann er in biologische Systeme eindringen. Nanomaterialien besitzen die Fähigkeit, zelluläre Barrieren zu überwinden, sich in Gewebe anzureichern oder mit körpereigenen Molekülen zu interagieren – mit möglicherweise unvorhersehbaren Folgen.
Mögliche Risiken im Überblick:
- Aufnahme in den Blutkreislauf durch die Darmwand
Einige Nanopartikel können die Schleimhaut des Darms passieren und in den systemischen Kreislauf gelangen. - Akkumulation in Organen
Studien deuten darauf hin, dass Nanopartikel sich in Leber, Milz oder Lymphknoten anreichern könnten – besonders, wenn sie regelmäßig aufgenommen werden. - Entzündungsreaktionen und oxidativer Zellstress
Nanopartikel können Immunreaktionen auslösen oder freie Radikale erzeugen, die Zellen schädigen. - Veränderung der Darmflora
Erste Hinweise legen nahe, dass Nanomaterialien das Mikrobiom beeinflussen könnten – was langfristig Auswirkungen auf die Verdauung und das Immunsystem haben kann. - Unklare Abbauwege und Langzeitwirkungen
Der menschliche Körper kann Nanopartikel nicht immer effektiv abbauen oder ausscheiden. Wie sich chronische Belastungen auswirken, ist bislang kaum erforscht.
Problematisch ist außerdem, dass viele Nanomaterialien nicht eindeutig nachweisbar sind – weder im Produkt noch im Körper. Das erschwert die Risikoabschätzung und macht eine langfristige Gesundheitsüberwachung besonders herausfordernd.

Was sagt die Forschung?
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) arbeitet intensiv an der Risikoabschätzung von Nanomaterialien. Es gibt zwar Hinweise auf toxische Wirkungen, doch gleichzeitig ist die Datenlage noch lückenhaft, da sich viele Studien auf Tierversuche oder In-vitro-Experimente stützen.
Die EFSA empfiehlt:
- Eine spezielle Bewertung für Nanomaterialien – unabhängig von ihrem chemischen Ursprung.
- Eine Kennzeichnungspflicht, wenn ein Lebensmittel technisch hergestellte Nanopartikel enthält.
Ein Beispiel für regulatorische Konsequenzen: Titandioxid (E171) wurde 2022 aufgrund von Unsicherheiten über genotoxische Wirkungen in der EU als Lebensmittelzusatzstoff verboten.
Wie werden Nanomaterialien rechtlich geregelt?
Seit 2011 ist in der EU die Kennzeichnung von Nanomaterialien in Lebensmitteln verpflichtend, wenn sie technisch hergestellt wurden. Auf der Zutatenliste muss der entsprechende Stoff mit dem Zusatz „(nano)“ versehen sein.
Allerdings:
- Gilt dies nur für bewusst eingesetzte Nanomaterialien – nicht für unbeabsichtigte Nanostrukturen.
- Viele Nanopartikel werden nicht als solche deklariert, weil sie als „herkömmliche“ Stoffe gelten oder als Verarbeitungshilfsstoffe nicht kennzeichnungspflichtig sind.
Kritik: Die Unsichtbarkeit der Unsichtbaren
Obwohl eine Kennzeichnungspflicht existiert, finden sich kaum Produkte im Supermarkt, auf denen tatsächlich „nano“ deklariert ist. Verbraucherschützer kritisieren daher:
- Intransparenz: Viele Verbraucher:innen wissen nicht, dass sie mit Nanopartikeln in Berührung kommen.
- Schlupflöcher in der Kennzeichnungspflicht
- Fehlende Studien zur Aufnahme über Nahrung
- Keine Langzeitdaten zur chronischen Belastung
Chancen der Nanotechnologie – bei aller Vorsicht
Trotz berechtigter Kritik bietet die Nanotechnologie auch innovative Ansätze für eine zukunftsfähige Lebensmittelproduktion:
- Schonendere Verarbeitung
- Gezielte Nährstoffversorgung
- Weniger Konservierungsstoffe durch bessere Verpackungen
- Verbesserte Lebensmittelsicherheit durch antimikrobielle Oberflächen
Doch diese Chancen müssen durch klare Regulierung, transparente Kennzeichnung und langfristige Sicherheitsbewertungen flankiert werden.
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Fazit
Nanomaterialien in Lebensmitteln sind Realität – aber keine Selbstverständlichkeit. Sie zeigen das enorme Innovationspotenzial moderner Lebensmitteltechnologie, werfen jedoch auch ernste Fragen nach Sicherheit, Langzeitwirkungen und Verbraucherschutz auf.
Für informierte Verbraucher:innen gilt: Je kleiner die Partikel, desto genauer sollte man hinschauen. Und je innovativer ein Zusatzstoff, desto mehr Transparenz sollte ihn begleiten.
Quellen
Europäische Kommission, 2023. Nanomaterials in Food. [online] Verfügbar unter: https://food.ec.europa.eu/food-safety/novel-food/nanomaterials_en [Zugriff am 21. März 2025].
EFSA Scientific Committee, 2021. Guidance on risk assessment of nanomaterials to be applied in the food and feed chain: human and animal health. EFSA Journal, 19(8), p.e06768. Verfügbar unter: https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/6768 [Zugriff am 21. März 2025].
Weir, A., Westerhoff, P., Fabricius, L., Hristovski, K. und von Goetz, N., 2012. Titanium dioxide nanoparticles in food and personal care products. Environmental Science & Technology, 46(4), pp.2242–2250. Verfügbar unter: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/es204168d [Zugriff am 21. März 2025].
Bilder
Omega 3 Kapseln: Pixabay, stevepb, #1079838
Süßigkeiten in Plastik: Pixabay, henlfern, #4719794
Kaugummis: Pixabay, kalhh, #249290
Dressing: Pixabay, laustkehlet, #6122670